Bewerbungsprozedere

Basierend auf meinen Erfahrungen beschreibe ich den langen Weg von einer vagen Idee zum handfesten Aufgebot. Ich habe dieses Prozedere in sechs Phasen gegliedert, beginnend mit der Idee (Phase I) bis zum definitiven Entscheid (Phase VI), auf die dann die Vorbereitungen (Packen, ev. gestresst-autodidaktisches Italienisch-Lernen etc.) folgt. Auf letzteres wird in diesem Artikel nicht eingegangen.


Phase I - Faszination
Zu Beginn steht die Faszination an der Garde und schlussendlich der Wunsch, ihr beizutreten. Diese Phase dauert zwischen Monaten oder, wenn die Garde ein Kindheitstraum ist, sogar Jahre.

Folgende Voraussetzungen muss der Aspirant erfüllen:
  • Schweizer Bürger
  • praktizierender Katholik (getauft, gefirmt)
  • Bereitschaft, sich für mindestens zwei Dienstjahre zu verpflichten
  • einwandfreier Leumund ( > Auszug aus dem Strafregister)
  • abgeschlossene Berufslehre oder Matura
  • gute physische und psychische Gesundheit ( > ärztliche Untersuchung)
  • bestandene Rekrutenschule (Schweizer Armee)
  • männliches Geschlecht
  • Zivilstand ledig
  • Alter zwischen 19 und 30 Jahren
  • Gardemass 174 cm
[Aufnahmebedingungen >Schweizergarde.va]
[Aufnahmebedingungen >Sektionzentralschweiz.ch]

Phase II - Kontaktaufnahme & Bewerbungsschreiben [15. Juni 2010]
Nach einem Anruf an die Rekrutierungsstelle der Päpstlichen Schweizergarde in der Schweiz bekommt man umfangreiche Fragebögen zugeschickt. Innerhalb von ungefähr 3 Monaten retourniert man die Blätter mit familiären Angaben, handgeschriebenem Lebenslauf, Auskunft zu Sucht-, Ess- und Schlafverhalten, Tauf- und Firmschein, Empfehlungsschreiben des Pfarrers, Zeugnisse, Auszüge aus dem Dienstbüchlein und aus dem Zentralstrafregister etc. Ergänzt werden sie durch eine ärztliche Kontrolle, bei der die körperliche Eignung durch den Hausarzt bestätigt werden muss. Untersucht wird der Bewegungsapparat; eventuelle Krampfadern müssen vorher operiert und die Zähne saniert werden. Vervollständigt wird das mit einer Urinprobe, Urin lügt nämlich nicht.

Phase III - erstes Gespräch [3. September 2010]
Wenn der Kandidat geeignet erscheint, sprich, wenn er keine Drogenvergangenheit hat, der Auszug aus dem Strafregister auf einer A5-Seite Platz hat, körperlich und psychisch gesund ist, einigermassen intelligent ist und nicht aus zerrütteten familiären Verhältnissen stammt, wird er zu einem Gespräch nach Neuhausen am Rheinfall, dem Sitz der Rekrutierungsstelle in der Schweiz, eingeladen. Dieses Bewerbungsgespräch dauerte bei mir volle drei Stunden (an dieser Stelle danke ich meiner Freundin für die Geduld), in dem ich meine Angaben von den Fragebögen nach Wunsch vertiefte, in dem vor allem aber der Rekrutierungsbeamte die Garde vorstellt. Er erklärt bspw. den Tagesablauf oder gibt einen Überblick der Geschichte der Garde. Bereits hier wird deutlich, dass der Papst und der Kommandant eine loyale und motivierte Wachmannschaft wollen. Die Nachteile und Unannehmlichkeiten des Dienstes - stundenlanges Stehen in einer (v. a. für jemanden der Kunst wenig Zugeneigten) reizarmen Umgebung, langweiliger Nachtdienst, anstrengender Ehrendienst, dreistündige Messen, wo nach 20 Minuten der Helm zu drücken beginnt, lärmige Grossstadt, Leben auf engem Raum in einer Kaserne, der Schwur, "bereit, wenn es erheischt sein sollte, selbst mein Leben für [den Papst] hinzugeben" - müssen laut von einer Liste vorgelesen werden. So soll sichergestellt werden, dass sich der Kandidat diesen Widrigkeiten bewusst ist.

 Phase IV - Bedenkzeit [8. September 2010; 15. September 2010]
Ob nach dieser gründlicheren Musterung des Aspiranten derselbige immer noch als geeignet erscheint, wird nach wenigen Tagen schriftlich von der Rekrutierungsstelle mitgeteilt. Bei positivem Bescheid erhält man zwei Wochen Bedenkzeit, innerhalb derer man wiederum schriftlich bestätigen muss, ob man das Rekrutierungsverfahren fortsetzen möchte. Bei Zweifeln kann man immer noch problemlos abbrechen.

Phase V - Gespräch mit dem Kommandanten und dem Gardekaplan [Rekrutierungstag 9. Oktober 2010]
Der Entscheid, ob man definitiv in die Garde aufgenommen wird, liegt beim Kommandanten; die Rekrutierungsstelle ist für die Vorselektion zuständig und kann keinen endgültigen positiven Beschluss fällen (einen definitiv negativen hingegen schon). Darum ist das Gespräch mit dem Kommandanten, das an einem Samstagmorgen im Priesterseminar St. Beat in Luzern stattfand, von einiger Wichtigkeit. Das Gespräch unter sechs Augen dauert ungefähr 15 bis 20 Minuten, in dem sich die im Titel genannten Höheren Offiziere persönlich ein Bild vom Kandidaten machen. Falls dieses Gespräch suboptimal verlaufen sein sollte, so lässt sich beim anschliessenden Mittagessen, das in gesitteter Atmosphäre von Klosterfrauen serviert wird, wieder etwas aufholen, indem man einen möglichst kultivierten Eindruck hinterlässt.

Einige Hinweise aus dem Buch Jesus Sirach (Bibel, Einheitsübersetzung):
    Mein Sohn, sitzt du am Tisch eines Grossen, /
dann reiss den Rachen nicht auf! /
Sag nicht: Es ist reichlich da. /
Denk daran, wie hässlich ein gieriges Auge ist.
Sir 31.12f
    Iss wie ein gesitteter Mensch, was vor dir liegt, /
und sei nicht gierig, sonst verabscheut man dich.
Sir 31.16
    Wer bei Tisch anständig ist, wird gelobt, /
sein guter Ruf steht fest. Sir 31.23
    Auch beim Wein spiele nicht den starken Mann!/
Schon viele hat der Rebensaft zu Fall gebracht.
Sir 31.25

Phase VI - Definitiver Entscheid [13. Oktober 2010]
Wenige Tage nach dem Rekrutierungstag wird der nun definitive Entscheid schriftlich zugestellt, wobei dieser Brief als Aufgebot gilt. Allerdings besteht immer noch die Möglichkeit, der Garde doch nicht beizutreten, indem man den Vertrag nicht unterschreibt [bis am 30. November 2010]. Sobald der Vertrag unterschrieben zurück gesendet ist, hat man dieses langwierige Prozedere erfolgreich überstanden und hat sich für den zweijährigen Dienst verpflichtet; die Vorbereitungen können beginnen.

Die minimale Dienstdauer beträgt 25 Monates, vorherige Austritte sind grundsätzlich nicht möglich. Wie in jedem anderen Job hat der Chef resp. der Kommandant allerdings die Befugnis, "[...] denjenigen zu entlassen, [...] der nicht den Nachweis erbracht hat, den aus der Gardezugehörigkeit erwachsenden Anforderungen zu genügen." Eine Kündigung während dieser Mindestdienstzeit aus persönlichen oder fadenscheinigen Gründen zieht finanzielle Konsequenzen nach sich (wahrscheinlich nebst einem enttäuschten katholischen Umfeld) (Nachher gilt eine gewöhnliche Kündigungsfrist). Dank diesem gründlichen Auswahlverfahren, das eine intensive gedankliche Beschäftigung mit dem Dienst verlangt, kommt dies jedoch selten vor. Ganz allgemein hört man selten von frustriert heimkehrenden Gardisten.

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